Strassenzustand mit der Drohne in Henggart analysiert
02.03.2022 ING PLUS führt im Auftrag der Gemeinde Henggart für eine komplette Strassenzustandsanalyse über mehrere Tage verteilt Drohnenflüge durch. Das Vorgehen ist für die Region aussergewöhnlich.
Schaffhauser Nachrichten, 25. Februar 2022
Ende November 2021 sprach die Gemeindeversammlung Henggart 70'000 Franken für Ingenieurdienstleistungen rund um das gemeindeeigene Strassennetz. Der für den Tiefbau zuständige Gemeinderat Andreas Wyler: «Bei einem Augenschein vor Ort präsentierte sich die Gesamtsituation nicht ganz so schlimm wie erwartet. Aber zumindest die stark befahrene Dorfstrasse ist heute in einem Zustand, der keine weiteren fünf Jahre Abwarten zulässt.» In einem ersten Schritt liess die Gemeinde per Kernbohrungen Bodenproben im Strassenbereich entnehmen, 25 an der Zahl. Aktuell setzt Henggart auf eine andere Expertise, eine aus Winterthur: Während zwei Tagen kartografiert eine Drohne der ING PLUS AG einen Teil der Gemeindestrassen, mindestens fünf Kilometer. Das ist aussergewöhnlich, bislang beschränkte sich diese noch relativ junge Technik auf einzelne Strassenabschnitte.
Die Strassenzustandsanalyse ist eines der Legislaturziele des Henggarter Gemeinderats. Mit der Machbarkeitsstudie der ING PLUS AG, die für April/Mai erwartet wird, soll eine fundierte Grundlage für die Finanzplanung der nächsten 15, 20 Jahre im Bereich Gemeindestrassen bestehen, inklusive Kanalisation und Wasserleitungen. «Der Strassenzustand hat dabei das höchste Gewicht», sagt ING PLUS-Projektleiter Eduard Selensky, «unser Auftrag ist es, eine Empfehlung für eine langfristig verbindliche und koordinierte Planung einzelner Strassenabschnitte abzugeben.»
Detaillierter als Google Maps
Die Drohne erstellt auf der vorprogrammierten Flugroute – der Drohnenpilot kontrolliert einzig die Bewegung, Bildschärfe sowie den Akku-Status – alle paar Sekunden ein neues Bild, um die Lage und die Form von Objekten zu bestimmen; ein Vorgang, der auch als Fotogrammetrie bekannt ist. Das gesamte Datenpaket, das jeden Schachtdeckel, jeden Bodenbelag, jeden Riss beinhaltet, wird nach Abschluss der Arbeiten vor Ort in Winterthur am Computer zusammengeführt. Das dabei entstehende, hochauflösende Orthofoto bildet eine visuelle Grundlage für den 2-D-Plan; darauf können beliebige Pläne mit verschiedenen Hintergrundinformationen, wie die amtliche Vermessung, Werkleitungen et cetera eingeblendet werden. Zudem wird daraus auch ein 3-D-Modell mit den Höhenlagen der Strassenflächen erstellt. «So sieht man beispielsweise, ob bei der Strassenentwässerung die Schächte am richtigen Ort, am tiefsten Punkt sind», führt Selensky weiter aus. Auf dem Weg zur Machbarkeitsstudie wird sich dann die Arbeitsgruppe Tiefbau ausführlicher mit der Auswertung befassen und ein umfangreiches Dossier zuhanden der Gemeinde erstellen. «Gewöhnlich wird die Technik für schwer zugängliche Orte eingesetzt», erklärt ING PLUS-Geschäftsführer René Meile, «bei uns zum Beispiel bei 3-D-Gebäudevermessungen, bei der Aufnahme von Dächern in Stadtgebieten. Denn nach oben wird die Vermessung wegen fehlender Sichtverbindung immer schwieriger.» Hier sei eine Drohne eine ideale Ergänzung zur gewohnten terrestrischen Vermessung mit Laserscannern oder Tachymetern.
In der Schweiz müssen sich Drohnenpiloten an die Vorgaben des Bundesamts für Zivilluftfahrt halten, in Henggart fallen diese Hürden jedoch grösstenteils weg: Denn die Strassenzustandsanalyse beschränkt sich nur auf die Strassen selber, tangiert die Privatsphäre also nicht. Die Gemeinde jedenfalls hatte frühzeitig genug im Mitteilungsblatt auf die Drohnenflüge aufmerksam gemacht, um das Risiko von negativen Rückmeldungen zu minimieren. Die einzige Hürde ist das Wetter: Drohneneinsätze müssen jeweils recht kurzfristig koordiniert werden – bei Regen, Schnee oder Nebel läuft wenig bis gar nichts. Und viel Wind vertragen die Fluggeräte auch nicht.
Der Einsatz von Drohnen beim Abfotografieren von Gemeindestrassen hat Potenzial. Damit verbunden ist eine enorme Zeitersparnis und ein geringerer Personalaufwand auf Platz. Zudem sind die Orthofoto-Aufnahmen, also die nach der Bearbeitung entzerrten und georeferenzierten Foto-Flächen, wesentlich detaillierter als Google Maps, über die 3-D-Punktwolke erhält man auch Angaben zur Topografie, was für die Planungsarbeiten unabdinglich ist. Die ING PLUS AG überlegt sich bereits die Anschaffung eines flugzeugähnlichen Geräts mit Flügeln, einer «Flächendrohne». Diese soll kommende Woche, am zweiten Drohnenflugtag, in Henggart zum Vergleich testweise zum Einsatz kommen.
Drohnenflüge in der Schweiz
Auch in der Schweiz bestehen gewisse Vorschriften beim Einsatz von Drohnen: unter anderem ein Maximalabstand von 150 Metern zum Boden zur Wahrung des Sichtkontakts, im Minimum 100 Meter bei Menschenansammlungen. Gewisse Bereiche sind nur über spezielle Bewilligungen zugänglich, rund um Flughäfen oder über Naturschutzgebieten gilt ein generelles Flugverbot.